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Philologenverband warnt vor kommunalen Rückzug aus der Mitfinanzierung privater Schulen

Philologenverband Andreas Bartsch

Foto: Philologenverband NRW

„Solidarität sieht anders aus“, kritisierte Thomas Floßdorf, Vorsitzender des Bezirks Düren im Philologenverband Nordrhein-Westfalen, die Überlegungen einiger Kommunen, sich aus der Mitfinanzierung des Gymnasiums Haus Overbach in Jülich zurückzuziehen. Es geht um maximal 150.000 Euro, die bislang unter anderem von Anrainerkommunen (100000) und dem Kreis Düren (50000) als Zuschuss gezahlt werden, der Gemeinderat in Niederzier hatte im März die weitere Finanzierung abgelehnt, Aldenhoven hat ebenfalls nicht unterzeichnet. „Wenn dieser Rückzug Schule macht, wären auch andere staatlich anerkannten Ersatzschulen in kirchlicher Trägerschaft betroffen. Dann hätte die Stadt Jülich bald ein Problem, wenn sie 1350 weitere Schülerinnen und Schüler in die Zitadelle pressen muss“, skizzierte der Vorsitzende ein düsteres Zukunftsszenario. Neben Haus Overbach mit circa 850 Schülerinnen und Schülern ist auch das Mädchen Gymnasium Jülich (rund 500 Schülerinnen) in kirchlicher Trägerschaft.

Der Philologenverband funkte bei seiner jüngsten Mitgliederversammlung in Düren einen Hilferuf– und appellierte generell an die Entscheidungsträger in der Politik, solche Überlegungen nicht nur unter einem „kurzfristigen haushaltspolitischen Einspar-Effekt“ zu betrachten. „Die angebliche Weitsicht der Kommunalpolitik scheint einem Grauen Star gewichen zu sein“, mutmaßte Thomas Floßdorf. Er erinnerte nicht nur an „5000 Wählerinnen und Wähler“, die ihre Kinder auf Ersatzschulen haben, sondern zeigte auch kein Verständnis für die Argumentation. „Es geht nicht um die Abwägung, ob ich das Geld für Vereine oder eine Schule ausgebe. Die Mitfinanzierung einer Ersatzschule ist immer die kostengünstigste Variante, dieses Schulangebot anbieten und aufrechterhalten zu können“, warb Floßdorf darum, nicht die „gute Arbeit“ der Schulen in privater Trägerschaft zu gefährden die eine zentrale Säule in der Kreisdürener Schullandschaft darstellten. Die gute Nachricht: Grauer Star ist heilbar.

„Was der Kollege berichtet hat, ist fast eine Kriegserklärung. Ich habe fast die Befürchtung, dass wir wieder in eine Strukturdiskussion fallen“, warnte auch Andreas Bartsch, Präsident des Nordrhein-Westfälischen Lehrerverbands (NRWL) davor, kommunale Zuschüsse für sogenannte private Ersatzschulen voreilig zu streichen und damit „im Vorbeigehen die Schulstruktur zu zerstören“. Bartsch: „Wir erleben immer wieder, dass das Thema Schule kommunal nicht sachbezogen diskutiert wird. Der Ansatz ‚Das ist alles teuer, da könnt ihr mal was zusammenlegen‘ verdeutlicht das Dilemma der Bildungspolitik.“ In der Vergangenheit sei es bereits „gelungen“, die Hauptschulen in der politischen Debatte zu einer „Restschule“ zu machen. „Für eine bestimmte Schülerklientel waren und sind die Hauptschulen eine hervorragende Einrichtung“, betonte der NRWL-Präsident. Mit Blick auf die Finanzierung von Bildung forderte er eine Neuaufstellung von Bund, Land und Kommunen. „Wir haben bundesweit einen Sanierungsstau von 60 Milliarden Euro an Schulen“, zog er eine traurige Bilanz. Sowohl Bartsch als auch Floßdorf unterstrichen die Bereitschaft ihrer Verbände, der Politik für konstruktive Gespräche und Beratungen zur Verfügung zu stehen.

Gleiches gilt auch für das Thema Attraktivität des Lehramtes beziehungsweise der ländlichen Schulstandorte. Nach wie vor zeichnet sich ab, dass Schulen außerhalb der Ballungszentren massive Nachwuchsprobleme bekommen werden. Zum Teil sind diese auch schon ganz akut, landesweit sind 6500 Stellen nicht besetzt. „Die Rückmeldung der Kommunalpolitik auf unsere Initiative war spärlich oder von Unverständnis geprägt. Offenbar sieht sich niemand dafür verantwortlich etwas zu tun, damit Lehrerinnen und Lehrer kommen“, kündigte Thomas Floßdorf weitere Aktivitäten an. Dringenden Handlungsbedarf bei der Digitalisierung an Schulen untermauerte Andreas Bartsch. „Wenn sich der Bund aus der Finanzierung zurückzieht, ist das Ding gelaufen“, forderte er ein neues Finanzierungsmodell und einen massiven Bürokratieabbau bei den Antragsverfahren. „Wir verlieren sonst den Anschluss“, prophezeite er.

Apropos Anschluss verlieren: Für immer wenige junge Menschen ist der Lehrberuf offenbar noch interessant. Da hilft auch eine Verbeamtung mit der damit verbundenen (vermeintlichen) Sicherheit nichts. „Der Honigtopf des Berufsbeamtentums ist schon lange nicht mehr so süß, dass er unwiderstehlich ist“, bilanzierte Andreas Bartsch. Diskussionen um eine höhere Besoldung sind nicht maßgeblich für eine Attraktivitätssteigerung, ist er überzeugt. „Viele Berufseinsteiger wollen gar nicht das ganze Geld und die ganze Stelle. Die Work-Life-Balance geht mehr Richtung Life, das müssen wir akzeptieren und andere Angebote schaffen“, fordert er.

Weitere Themen der Lehrerinnen und Lehrer waren die Umsetzung der Zeiterfassung (Tenor: Bis zur nächsten Bundestagswahl wird das heiße Eisen wohl kaum angepackt), zunehmende Gewalt im Schulalltag und Fragen der Fortbildung in NRW, die neu auf die Beine gestellt werden soll. „Das Ministerium sagt, dass 50 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer keine Weiterbildungsangebote genutzt haben. Was keiner sagt: Bisher gab es gar keine Angebote des Landes“, gab Andreas Bartsch augenzwinkernd zu bedenken. Auf Initiative des Verbands wurde daher eine eigene Fortbildungsakademie gegründet, allein im vergangenen Jahr nahmen 1700 Lehrerinnen und Lehrer dort Angebote wahr.

Quelle: Philologenverband NRW

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