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Leopold-Hoesch-Museum: Die Preisträgerin und die neuen Stipendiat*innen der Günther-Peill-Stiftung

Der mit 20.000 € dotierte Preis der Günther-Peill-Stiftung 2024 geht an die Künstlerin Maya Schweizer. Für die zweijährigen Förderstipendien der Günther-Peill-Stiftung über je insgesamt 18.000 € wurden Frieda Toranzo Jaeger und Dudu Quintanilha aus einer Reihe vielversprechender Positionen gewählt.

Die am Leopold-Hoesch-Museum ansässige Stiftung würdigt alle drei Künstler*innen über die finanzielle Förderung hinaus mit einer Ausstellung im Herbst 2026. Die Stipendiat*innen werden zusätzlich mit einer Begleitpublikation gefördert. Die Ausstellungen und Publikationen werden vom Kurator der Günther-Peill-Stiftung, Andreas Prinzing, betreut.

Das Auswahlverfahren der Preisträgerin 2024 und der Stipendiat*innen 2024 – 2026 fand auf der Basis von Vorschlägen nationaler und internationaler Kurator*innen statt und wurde vom Vorstand der Stiftung, bestehend aus Anja Dorn, Dr. Eberhard Peill und Aurel Scheibler sowie der Gastjurorin Valerie Knoll, Direktorin des Kölnischer Kunstvereins, abgehalten.

Die Günther-Peill-Stiftung wurde von Carola Peill 1986 zu Ehren ihres Mannes Günther Peill gegründet, um junge Künstler*innen zu fördern und diese zu Ausstellungen nach Düren zu bringen. Seit 1987 vergibt die Günther-Peill-Stiftung zweijährige Stipendien und seit 1996 den hochdotierten Peill-Preis. Es ist der Stiftung ein besonderes Anliegen, sowohl anerkannte als auch junge zeitgenössische Positionen zu unterstützen und zu würdigen. Preisträger*innen der Günther-Peill-Stiftung seit 1996 waren beispielsweise Thomas Schütte, Rosemarie Trockel, Peter Fischli und David Weiss, Jimmie Durham, Tamara Grcic, Gregor Schneider und Alice Creischer.

Maya Schweizer erhält den Peill-Preis 2024

„Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen. Wir trennen es von uns ab, und stellen uns fremd.“ (Christa Wolf, Kindheitsmuster (1979))

Architekturen, Denkmäler, Objekte, aber auch Menschen und Bilder, ob statisch oder bewegt – welche Geschichten erzählen sie? Was erinnert eine Gesellschaft und wie materialisiert sich das im kollektiven Gedächtnis? Was kehrt sie unter den Tisch?

Maya Schweizers filmische Arbeiten, die stets mit spezifischen Räumen und deren Wahrnehmung verbunden sind, umkreisen solche Fragen um Geschichte, Identität und Erinnerung. Ein Interesse der Künstlerin, die gelegentlich auch mit Fotografie, Collage, Textil und jüngst Sound arbeitet, gilt urbanen Orten als Schnittstellen individueller und kollektiver Handlungsweisen. Mit der Kamera die Gebäudefassaden oder Plätze in fast haptischer Weise abtastend legt sie zeitliche Schichten frei. In verdichteten, suggestiven Montagen, in denen Ton, Text und der Integration historischen Filmmaterials (Found Footage) große Bedeutung zukommt, setzt sie diese Überreste mit der Gegenwart und ihren sozialen Realitäten in Beziehung. Öffentlicher Raum fungiert in den Filmen als betretbares Geschichtsbild, dessen Texturen und Details lesbar sind, aber auch aus individueller Perspektive reformuliert werden können. Dabei zeigt sie Leerstellen wie Kontinuitäten auf.

Schweizers Arbeit gleicht einer kontinuierlichen Spurensuche nach dem Verborgenen und Verdrängten, für die sie immer wieder neue Bilder findet In verkörpert in ihrem Film „Voices and Shells“ (dt.: Stimmen und Muscheln) (2020) das Bild der städtischen Kanalisation der Stadt München, die für die NSDAP von zentraler Bedeutung war, als eine Art untergründige Parallelwelt, das Unterbewusstsein der Stadt. Durch den konsequenten Verzicht auf eine stringente Erzählung reflektieren Schweizers experimentelle Arbeiten die Brüchigkeit und Unzuverlässigkeit von Erinnerung, die nie statischer Natur, sondern stets ein dynamischer Prozess ist. Die Künstlerin bedient sich auch in Arbeiten wie „L´étoile de mer“ (dt.: Seestern) (2019) und „Sans histoire“ (dt.: Ohne Geschichte) (2023), in denen dem Element Wasser ebenfalls eine entscheidende Rolle zukommt, einer stark collagehaften Filmsprache. Sie verbindet eigene wie gefundene Filmsequenzen, Text- und Tonfragmente auf poetische Weise zu einem mäandernden Bilderstrom. Wie in allen ihren Arbeiten, deren jeweilige Präsentationsform Schweizer präzise festlegt, greift sie auch hier auf einen breiten Fundus aus Film- und Literaturgeschichte zurück. Er stellt eine Art kollektives kulturelles Gedächtnis dar, mit dem ihre Arbeit gleichermaßen in Dialog tritt wie sie sich daraus speist. Schweizers dicht komponierte, durch Schnitt und Ton rhythmisierte und leitmotivisch lose verknüpfte filmische Collagen überlassen es den Betrachter*innen, den Pfaden ihrer eigenen Assoziation zu folgen.

Maya Schweizer (*1976 in Paris) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte in Aix-en-Provence, an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig und an der Universität der Künste Berlin, wo sie 2007 ihren Abschluss als Meisterschülerin bei Lothar Baumgarten machte. Zuletzt hatte sie größere Einzelausstellungen im Jüdischen Museum Berlin, beim Deutschen Künstlerbund, Berlin (beide 2023), und in der Villa Stuck, München (2020). Zudem wurden ihre Arbeiten in Screenings u. a. beim e-flux Screening Room, New York (2023), und in der Schirn Kunsthalle, Frankfurt/Main (2021), präsentiert. Präsentationen im Rahmen von Gruppenausstellungen waren u. a. im Basel Social Club, im Kunsthaus Baselland (beide 2023), beim Forum Expanded der 72. Berlinale und im Heidelberger Kunstverein (beide 2022) zu sehen.

Die Peill-Förderstipendien 2024-2026 gehen an Frieda Toranzo Jaeger und Dudu Quintanilha

Frieda Toranzo Jaeger

Frieda Toranzo Jaegers modulare, häufig großformatigen Ölgemälde erweitern die Malerei installativ in den Raum. Mit Wucht katapultieren uns die Bilder, die dem Konzept der „shaped canvas“ neues Leben einhauchen, in ein bildnerisches Universum, das von selbstfahrenden Autos, Motoren und Raumfahrzeugen bevölkert wird. Als nehme die Künstlerin Aby Warburgs Begriff der „Bilderfahrzeuge“ wörtlich, greifen sie auf ein reiches Referenzsystem an ikonografischen Traditionen und traditionellen Bildformen zurück – und gleiten mit diesem Gepäck an Bord, das einer kritischen Revision unterzogen wird, in eine Zukunft, die dem Medium formal wie inhaltlich neue Räume erschließt.

Frieda Toranzo Jaegers Bilder, in denen High-Tech-Ästhetik auf barocke Opulenz und Symbolik trifft und technoid-symmetrische Formen organisch-weichen gegenüberstehen, behaupten selbstbewusst ihre Präsenz im physischen wie diskursiven Raum. Mit Verve bürsten die teils mit knalligen Kontrasten operierenden Arbeiten der Künstlerin einen primär männlich-weiß geprägten Malereikanon gegen den Strich. Durch Stickereien, mit denen sie ihre Leinwände partiell perforiert, verknüpft sie das Medium mit einer indigenen, traditionell dem Kunsthandwerk zugeschriebenen Technik. Damit befragt sie unterschiedliche Wertzuweisungen und integriert unterrepräsentierte Geschichten. Wichtig ist Toranzo Jaeger das utopische Potenzial, das ihre Bilder im Entwurf offener, postkapitalistischer Räume artikulieren. Die künstlerische Agenda, die diesen feministischen Bildermotor mit Hybridantrieb antreibt, bringt sie mit den Worten „I really want to decolonize imagination, ideas, feelings.“ (dt.: Ich möchte wirklich die Phantasie, die Ideen und die Gefühle dekolonisieren.) auf den Punkt. Der westlich-dominante, von blindem Wachstumsglauben, Ressourcenverbrauch und sozialer Ungleichheit angetriebene Fortschrittskarren ist gegen die Wand gefahren. Für den Aufbruch nach dem Zusammenbruch liefert Toranzo Jaeger futuristische Bilder, die neue, ideologiefreie Räume imaginieren und lustvoll von Gemeinschaft, queerem Verlangen und ökologischem Bewusstsein erzählen. Auch wenn die Arbeiten statischer Natur sind – sie setzen einiges in Bewegung.

Frieda Toranzo Jaeger (*1988 in Mexico-City) lebt und arbeitet in Mexico-City und Berlin. Sie studierte an der HFBK Hamburg bei Jutta Koether und hatte zuletzt institutionelle Einzelausstellungen bei Modern Oxford, Oxford (2024), im MoMA PS1, New York (2022), und im Baltimore Museum of Art (2021).

Toranzo Jäger war mit einer raumfüllenden Arbeit in der zentralen Ausstellung „Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere“ auf der 60. Biennale von Venedig (2024) vertreten und zeigte ihre Arbeiten u.a. in Gruppenausstellungen im Sala de Arte Público Siqueiros, Mexiko-Stadt (2023), bei der NGV-Triennale 2020, Melbourne, und im KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2019).

Dudu Quintanilha

Dudu Quintanilhas performancebasierte Videoarbeiten entstehen in enger Zusammenarbeit mit verschiedenen, teils gesellschaftlich marginalisierten Gruppen. In ihrem Zentrum stehen Fragen nach den vielfältigen Beziehungen zwischen Individuum, Gruppe und Gesellschaft sowie den Rollen, die wir innerhalb dieser sozialen Gefüge spielen. Der gemeinsamen Erarbeitung eines Skripts und/oder performativer Aktionen kommt in Quintanilhas Arbeit, in der sich künstlerische mit sozialen Aspekten verbinden, eine große Bedeutung zu. So initiiert er kollektive Prozesse in unterschiedlichen Kontexten, in denen die Praxis des Zuhörens, Kommunizierens und (öffentlichen) Sprechens bzw. Aufführens eine entscheidende Rolle spielt. Der Weg ist dabei stets auch das Ziel und integraler Teil der späteren Arbeit.

Die Videoarbeit „Unstable Group“ (2023), die in einem installativen, studioartigen Setting präsentiert wird, basiert auf der Zusammenarbeit mit Frankfurter Laien-Schauspieler*innen. Sie verweist auf das Theater, durchkreuzt aber unser Verständnis eines konventionellen Stücks auf verschiedene Weise. Abwechselnd tragen die Beteiligten zuvor in offenen Gesprächen miteinander geteilte, geskriptete und eingeprobte Geschichten vor. Sie basieren auf persönlichen Erlebnissen und kreisen um biografisch prägende Gruppen, Institutionen und das Verhältnis zu diesen. Realität und Inszenierung gehen in einer Art narrativem Spiegelkabinett ineinander über, in dem sich vermeintlich feste Identitäten zugunsten des Zusammenspiels einer einzigen, sich selbst performenden Sprecher*innengruppe auflösen.

„Mirror“ (2022) hat Quintanilha gemeinsam mit Mitgliedern des Blaumeier-Ateliers in Bremen geschaffen, eines Kollektivs, das Kunstprojekte mit neurodiversen Menschen produziert. Die Projektion zeigt die Beteiligten bei der Kommunikation vor einer großen Spiegelwand, vor der sie sich als Gruppe stetig neu zu einer Art kollektivem, lebensgroßem Selbstbildnis arrangieren. Das Video zeichnet die kleinen Bewegungen und Gesten auf, die teils aus der Interaktion mit einer Stimme aus dem Off resultieren. Es rückt eine Gruppe von Menschen ins Bild, die nicht immer gesehen wird. Wie auch die sonstigen Arbeiten Quintanilhas, die mit künstlerischen Mitteln gemeinschaftliche Möglichkeitsräume aufspannen, ist „Mirror“ nicht nur ein Gesellschaftsporträt – sondern auch ein Plädoyer, alle Menschen in ihrer Einzigartigkeit auf Augenhöhe wahrzunehmen.

Dudu Quintanilha (*1987 in São Paulo) lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte an der IUNA in Buenos Aires und an der Städelschule in Frankfurt/Main und hatte zuletzt Einzelausstellungen bei PSM, Berlin und in der GAK Bremen (beide 2023).

Außerdem war Quintanilha an Gruppenausstellungen in Museen wie dem Museum Folkwang, Essen (2023), Museo de Arte Moderno de Buenos Aires (2019) oder Kanal Centre Pompidou Brüssel (2018) beteiligt. 2024 gründete und betreute er mit Nadine Stich das Künstlerresidenzprogramm Lagar Residência Artistica auf einem Bauernhof in Portugal.

Quelle: Leopold-Hoesch-Museum

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