„Nicht zufrieden mit der Rolle, die die nüchterne Geschäfts- und Utilitätsindustrie ihm angewiesen, überschreitet das Papier die Grenze des Alltäglichen, und betritt das Reich des Luxus und der Phantasie […].“
Mit diesen Worten beginnt ein Berichterstatter der Weltausstellung in Wien 1873 seine Beschreibung eines neuen, industriellen Wirtschaftszweiges: den der Luxuspapiere. Im Rahmen der Industrialisierung der Papierproduktion und der zunehmenden Alphabetisierung der Bevölkerung nahm seit den 1850er Jahren nicht nur die Produktion von Schreibpapieren zu, sondern auch die Herstellung von Grußkarten aller Art sowie die Möglichkeiten der Verfeinerung und prachtvollen Verzierung von Papieren. Die Ausstellung „Glanz und Glitter – Luxuspapiere aus der Sammlung“ präsentiert 141 Objekte aus der Welt der Luxuspapiere, die zwischen 1850 und 1930 ihre Blüte hatten. Neben Glückwunschkarten zu den verschiedenen weltlichen und religiösen Festen des Jahres, Kalendern, Glanz- und Lackbildern, Sammelalben, Papierkrippen, Zigarrenringen, Taufbriefchen und Fächern liegt der Schwerpunkt der Ausstellung auf Glückwunsch- und Kulissenkarten aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Der Einsatz neuartiger Stanz-, Präge- und Druckmaschinen, aber vor allem die Einführung der Chromolithografie – einem Druckverfahren, das ähnlich der Malerei weiche Farbübergänge im gedruckten Bild ermöglichte – waren Ursache für die große Vielfalt und außergewöhnlich hohe drucktechnische Qualität der Erzeugnisse. Die aufwändigen Kulissenkarten bestehen aus geprägten, gestanzten und mit Falt- und Klebestreifen verbundenen Einzelteilen. Diese sind so angeordnet, dass beim Auf- und Zuklappen der Karten interessante räumliche Impressionen entstehen. Montierte Fremdmaterialen wie Seide, Fransen, Bänder, Glitzer und vieles mehr wurden in gefälligen Arrangements mit Papier kombiniert, je nach Geschmack und Preislage. Geprägte und gestanzte bunte Lackbilder, sogenannte Oblaten, gehörten zu den wichtigsten Schmuckelementen der Kartenproduktion. Ebenso wurden sie in Poesie- und Sammelalben eingeklebt. Die hochwertigsten Oblaten wurden mit bis zu 26 gefärbten Lithographiesteinen gedruckt und sind an Farbbrillanz kaum zu übertreffen. Nach dem Druck erfolgte der Glanzauftrag aus Mastix-Lack. Dieser verhindert das Brechen der Druckfarbe beim Prägen.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Deutschland mit Produktionsstätten in Berlin, Dresden, Leipzig, Frankfurt a.M. und Hamburg führend in der Produktion von Luxuspapieren. Durch die Eroberung internationaler Märkte wurde Luxuspapier ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Überschattet wurde die Produktion der Luxuspapiere jedoch von der Tatsache, dass Frauen und Kinder in unterbezahlter Heimarbeit die Montage der Objekte übernahmen. Schlechte Arbeitsverhältnisse bei schummriger Petroleumbeleuchtung stehen in krassem Gegensatz zu den farbenfrohen, künstlerisch gestalteten Luxuspapieren.
Die Museen der Stadt Düren bewahren bereits seit den 1930er Jahren eine kleine Sammlung dieser Schmuckpapiere. Die rege Ausstellungstätigkeit seit der Neueröffnung des Papiermuseums Düren 2018 mit Ausstellungen wie „Holy Pictures – Andachtsbildchen als religiöse Volkskunst“ (2020) oder „Zitruspapiere – Fashion für Orangen“ (2021/22) erregte die Aufmerksamkeit von Sammler*innen, die ihre lang gehegten Sammlungen und Papierschätze den Dürener Museen als Schenkung oder Dauerleihgaben überließen. Diese jüngsten Überlassungen von Anna Karina Fries (Schweinfurt), Prof. Dr. Peter W. Schatt (Hamburg), August Bierhaus (Ahaus), Wolfgang Hake (Köln) und Heinz Honig (Kempen) haben dankenswerterweise die Konzeption und Realisierung von „Glanz und Glitter“ in vorliegendem Umfang ermöglicht.
Die Ausstellung „Glanz und Glitter – Luxuspapiere aus der Sammlung“ ist vom 23.11.2024 bis 18.05.2025 im Papiermuseum in Düren, Wallstraße, zu sehen. Die offizielle Eröffnung ist am Freitag, 22.11.2024, 19 Uhr, bei freiem Eintritt.