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Preisträgerin der Günther-Peill-Stiftung 2020: Kerstin Brätsch Stipendiat*innen der Günther-Peill-Stiftung 2020 – 2022: Alexis Gautier und Britta Thie

Kerstin Brätsch

Foto: Andrea Rossetti


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Der mit 20.000 € dotierte Preis der Günther-Peill-Stiftung 2020 geht an die Künstlerin Kerstin Brätsch. Für
die zweijährigen Förderstipendien der Günther-Peill-Stiftung über je insgesamt 18.000 € wurden Alexis
Gautier und Britta Thie aus einer Reihe vielversprechender Positionen gewählt.
Die Stiftung würdigt alle drei Künstlerinnen über die finanzielle Förderung hinaus mit einer Ausstellung im Herbst 2022. Die Stipendiatinnen werden zusätzlich mit einer Begleitpublikation gefördert.
Das Auswahlverfahren der Preisträgerin 2020 und der Stipendiatinnen 2020 – 2022 fand auf der Basis von Vorschlägen nationaler und internationaler Kuratorinnen statt und wurde vom Vorstand der Stiftung, bestehend aus Anja Dorn, Dr. Eberhard Peill und Aurel Scheibler sowie der Gastjurorin Susanne Titz (Direktorin Museum Abteiberg, Mönchengladbach) bereits 2020 abgehalten.
Die Günther-Peill-Stiftung wurde von Carola Peill 1986 zu Ehren ihres Mannes Günther Peill gegründet, um
junge Künstlerinnen zu fördern und diese zu Ausstellungen nach Düren zu bringen. Seit 1987 vergibt die Günther-Peill-Stiftung zweijährige Stipendien und seit 1996 den hochdotierten Peill-Preis. Es ist der Stiftung ein besonderes Anliegen, sowohl anerkannte als auch junge zeitgenössische Positionen zu unterstützen und zu würdigen. Preisträgerinnen der Günther-Peill-Stiftung seit 1996 waren beispielsweise Thomas Schütte, Rosemarie Trockel, Peter Fischli und David Weiss, Jimmie Durham, Tamara Grcic, Gregor
Schneider und Alice Creischer.

Kerstin Brätsch erhält den Peill-Preis 2020

In Kerstin Brätschs Arbeiten, die eine singuläre Position im zeitgenössischen Malereidiskurs markieren,
spielt die Leinwand keinerlei tragende Rolle mehr. In ihnen kollidiert ein traditioneller, statischer Bildbegriff
mit einer experimentellen, von Konzeptkunst und Institutionskritik grundierten künstlerischen Praxis, die ihn
einer kontinuierlichen Erweiterung und Neubestimmung unterzieht. Mit Interesse tastet die Künstlerin sich
über die Ränder dessen hinaus, was gemeinhin als Malerei verstanden wird. So führt sie das Medium stets
aufs Neue als brüchigen, durchlässigen und höchst lebendigen Möglichkeitsraum vor, der vermehrt auch
installative, kollaborative und performative Praktiken und Präsentationsformen beinhaltet.
Während Brätsch mit großformatigen Ölbildern auf Papier bekannt wurde, entstanden im Anschluss vielfach Malereien auf dem flexiblen, durchsichtigen Bildträger Polyesterfolie. Sie integriert Techniken wie
Glasmalerei, Marmorierung und Stuckmarmor in ihre Arbeit, für deren Ausführung sie mit professionellen
Kunsthandwerkinnen zusammenarbeitet. Brätschs Arbeiten schlagen ihre entgrenzenden Funken aus der Einbeziehung solcher Ästhetiken, die in einem hierarchischen, von modernistischen Reinheitsdogmen geprägten Malereiverständnis als vermeintlich dekorative No-Gos abgewertet wurden. Ihnen kommt als malerischen Ausdrucksformen besondere Bedeutung zu, da sie Naturkräfte wie Gravitation und elementare Energien visualisieren und sich im Herstellungsprozess nur bedingt kontrollieren lassen. Brätsch selbst äußert sich dazu so: „Ich bewege mich zwischen einer analytisch-konzeptuellen Sicht auf das Medium und einer Hingabe an die ästhetischen Traditionen und sozialen Implikationen malerischer Techniken. Mich interessiert besonders das Reaktivieren von vergrabenen Traditionslinien, die vom Kanon der Moderne in den Hintergrund gedrängt worden sind – seien dies metaphysische und animistische Stränge der Abstraktion oder alchemistische Qualitäten in kunsthandwerklichen Techniken […]. Malerei definiere ich als einen immer wachsenden physischen, psychischen und sozialen Körper.“ (Interview mit Anika Meier, 27.4.2020, https://www.deichtorhallen.de/halle4/ich-setze-die-malerei-einem-stresstest-aus) Brätschs grenzüberschreitende Arbeiten spannen ein dichtes referenzielles Netz auf. Elemente aus geometrischer Abstraktion und Pop finden ebenso Eingang in die überbordenden, teils psychedelisch anmutenden Kompositionen wie ein malerischer Rekurs auf digitale Bildlogiken und -technologien in ihnen präsent ist. Grundlegend für Brätschs Arbeitsweise ist die Zusammenarbeit mit anderen. So ist sie in zwei langjährige Arbeitskontexte eingebunden, in denen die individuelle Autorschaft und Handschrift zugunsten einer kollektiven Arbeit aufgehoben wird. Bereits seit 2007 ist sie mit Adele Röder als DAS INSTITUT aktiv. Seit 2010 schafft sie in Zusammenarbeit mit dem Bildhauer Debo Eilers unter dem Namen KAYA Hybride aus Malerei und Skulptur, die in performativen Aktionen einer Belastungsprobe unterzogen werden. Kerstin Brätsch (1979 in Hamburg) lebt und arbeitet in Berlin. Die Künstlerin studierte an der UdK Berlin
bei Lothar Baumgarten (Meisterschülerin) sowie an der Columbia University in New York, wo sie die vergangenen 15 Jahre auch lebte. Derzeit ist sie als Vertretungsprofessorin für Freie Malerei an der AdBK Nürnberg tätig.
Kerstin Brätsch wurde u.a. mit dem Helen Frankenthaler Award for Painting (2020) und dem Edward
Munch Award (2017) ausgezeichnet. Zuletzt hatte sie u.a. Einzelausstellungen im SCAD Museum of Art,
Savannah, Georgia (2020; mit KAYA), im MoMA Terrace Café, New York (2019), im Museum Brandhorst,
München (2017) und dem Kölnischen Kunstverein (2011; mit DAS INSTITUT). Zudem ist und war sie in
zahlreichen Gruppenausstellungen vertreten, u.a. im LUMA, Arles, Sant’Andrea de Scaphis, Rom, Centre
Pompidou Metz (alle 2021), den Deichtorhallen Hamburg (2020), dem Stedelijk Museum Amsterdam
(2019) und der Whitney Biennale (2017; mit KAYA).

Die Peill-Förderstipendien 2020 – 2022 gehen an Alexis Gautier und Britta Thie

Zentral für Alexis Gautiers künstlerische Praxis sind das Reisen und die oft zufällige Begegnung mit
Räumen, Kulturen und Menschen. Die Interaktion mit ihnen bildet die Basis seiner über längere Zeiträume
entstehenden, narrativen Arbeiten, die ein kollektiver, prozessorientierter und ergebnisoffener Ansatz charakterisiert. In ihnen zirkulieren Formen, Zeichen und Bedeutungen und wandeln sich, ohne sich um Festlegungen zu scheren.
Ob Gautier mit Hilfe lokaler Handwerker eine künstliche, schwimmende Insel vor der Küste Indonesiens
schafft, um über territoriale Fragen zu reflektieren, oder seine Kleidung und sich selbst auf groteske Weise
einem uralten Färbeprozess in der chinesischen Provinz unterzieht – stets greift er lokale Traditionen oder
Erzählungen auf, um sie in neue Formen zu überführen. Dabei reflektiert er seine Rolle als westlicher
Künstler in einem fremden Kontext und die Gefahr einseitiger kultureller Aneignung mit.
Gautiers Interesse gilt vielfältigen kulturellen Praktiken – wie Alltagshandlungen, Arbeitsprozessen und
Ritualen von Gemeinschaften, die mit Wert- und Glaubensvorstellungen verbunden sind –, an die er mit
seiner Arbeit meist vor Ort anknüpft. Durch die Herstellung von Situationen und Handlungen setzt er Rezeptions-, Interpretations- und Arbeitsprozesse in Gang, die sich verselbstständigen und seiner Kontrolle
entziehen. So entstehen in dialogischer Autorschaft im direkten oder indirekten Austausch mit Kunsthandwerkerinnen und Künstlerinnen sukzessive mehrteilige Werkkonstellationen. Unterschiedlichste Elemente
und Medien wie Skulptur, Video oder Textilien finden Eingang in die von subtilem Humor geprägten Arbeiten, in denen sich vielstimmige Übersetzungsprozesse materialisieren. Gemeinsam formen sie einen fragmentarischen erzählerischen Raum, in dem Fakt und Fiktion, Realität und Imagination verschwimmen.
Über die Integration einer Vielfalt von Stimmen knüpft Gautier ein narratives Gewebe, in dem Missverständnissen, Übersetzungsfehlern und Lücken eine produktive Rolle als Bedeutungsproduzenten zukommt. Mit Arbeiten, aus denen eine Skepsis gegenüber Essentialisierungen und geschlossenen Systemen spricht, schafft er einen Raum des Transfers zwischen kulturellen Codes, im dem sich der Fiktion die Türe weit öffnet.

Alexis Gautier (1990 in der Bretagne) lebt und arbeitet in Brüssel. Er studierte an der Royal Academy of Fine Arts in Antwerpen und der Städelschule in Frankfurt am Main. Der Künstler hatte u.a. Einzelausstellungen bei Island, Brüssel (2020), Basis, Frankfurt am Main (2019) und der Blue Mountain School, London (2018). In Kürze wird er seine Arbeit außerdem in weiteren Einzelausstellungen im Museum M – Leuven sowie im CIAP Kunstverein in Genk präsentieren. Zuletzt war Gautier u.a. an Gruppenausstellungen im Parallelprogramm der Manifesta 13 in Marseille (2020), der New Wight Biennial, Los Angeles (2020), im BOZAR, Brüssel (2018) und M HKA, Antwerpen (2018) beteiligt Britta Thies Arbeit speist sich aus einer medial geprägten, hochgradig vernetzten Lebensrealität, in der einer Selbstinszenierung in sozialen Medien eine zentrale Rolle zukommt. Der Einfluss sich rasant wandelnder (digitaler) Bild- und Kommunikationstechnologien auf Lebenswelten und -stile, Jugendkulturen und populäre Erzählformate bilden den Fokus der Berliner Künstlerin. Mit großem Gespür für soziale Bezugsrahmen, Codes und Oberflächen überbrückt Thie – die ihre Inspiration gelegentlich auch aus ihrer Arbeit als Model und Schauspielerin bezieht – in meist filmischen Arbeiten die Kluften zwischen unterschiedlichen Gattungen, Hoch- und Populärkultur, Realität und Fiktion sowie analogem und digitalem Raum. Popularität erlangte die Künstlerin mit der Webserie „Translantics“ (2015), in der sie als fiktionale Protagonistin „BB“ in eine Rolle schlüpfte, die eine Schnittmenge mit ihrer realen Biografie aufwies. Die Serie kreis- te um das Arbeits- und Beziehungsleben einer Clique urbaner Millenials, die etwas ziellos durch die Berliner Kunstwelt treiben. Mit Witz und Überspitzung zeichnete sie das Porträt einer von zahlreichen Optionen, aber auch Unsicherheiten geprägten Generation, die sich permanent auf Sendung befindet. Das Interesse an spezifischen gesellschaftlichen Räumen, deren Akteurinnen und Identitätsentwürfen
charakterisiert auch Thies jüngere Produktionen, in denen sie die Bühne gänzlich anderen überlässt. So
zuletzt in dem dokumentarischen Episodenfilm „Favorites“ (2019), in dem sich kurze Erzählungen aus dem
Berufs- und Lebensalltag unterschiedlichster Einwohnerinnen des Wiener Bezirks Favoriten zu einem fragmentarischen Stadtteil-Porträt zusammenfügen. In jüngster Zeit wandte sich die Künstlerin erstmals seit ihrem Studium wieder der Malerei zu. Sie schuf großformatige, fotorealistische „Porträts“ jenes Equipments, das bei Filmdrehs und Serienproduktionen zum Einsatz kommt – und im Zuge der Corona-Pandemie ebenfalls temporär zum Stillstand gezwungen wurde, während allerorts die Streaming-Raten nach oben schnellten. Britta Thie (1987 in Minden) lebt und arbeitet in Berlin. Sie studierte u.a. an der UdK Berlin, wo sie Meisterschülerin bei Hito Steyerl war, sowie an der Cooper Union in New York.
Die Künstlerin hatte zuletzt u.a. Einzelausstellungen im Nassauischen Kunstverein Wiesbaden (2021),
Museum Abteiberg, Mönchengladbach (2018) und im Kunstverein Göttingen (2016). Sie nahm an zahlreichen Gruppenausstellungen, u.a. im Bärenzwinger Berlin, den Deichtorhallen Hamburg (beide 2019) und
der Julia Stoschek Collection, Berlin (2018) teil. Zudem wurden ihre Arbeiten mehrfach im Film- und Theaterkontext sowie online gezeigt.