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Nörvenich im Oktober 2021: Protest gegen Atomkriegsmanöver

Friedensdemo in NörvenichFriedensdemo in Nörvenich

Redner*innen von links nach rechts: Ludo De Brabander, Gisi (Slamerin aus Aachen), Angelika Claußen, Hildegard Slabik-Münter, Detlef Peikert aus Aachen (Moderation), Susanne Rössler


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Am 9. Oktober hatten sich in Nörvenich rund 180 Menschen auf dem Schlossplatz versammelt, um gegen das alljährlich stattfindende Atomkriegsmanöver der NATO zu demonstrieren. Bei dem Manöver üben die nuklearen Teilhabestaaten der NATO das Einklinken der Atombomben in die Trägerflugzeuge und den Abwurf der Bomben(attrappen). Das Manöver ist so geheim, dass selbst Parlamentarier keinerlei Auskunft dazu bekommen, wie einige Anfragen und Anträge der Linken im Bundestag zeigten. Aufgerufen hatten neben den Veranstaltern – FriedensGruppeDüren, Antikriegsbündnis Aachen, DFG-VK NRW und die Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei jetzt“ viele regionale Friedensgruppen und Einzelpersoneen. Schon im Vorfeld hatte in Düren eine friedenspolitische Podiumsdiskussion zur Mobilisierung stattgefunden, auf der vor allem auf die Unvereinbarkeit der Atomwaffenstrategie der NATO mit dem humanitären Völkerrecht hingewiesen wurde.

Bei strahlender Oktobersonne wurde zunächst ein etwa zweistündiges Bühnenprogramm geboten, dass mit teils eigens für diese Demo gedichteten Songs der Band “Nick Knatterton & die Marmeladenfabrik” aus Aachen stimmungsvoll bereichert wurde. Susanne Rössler, Pfarrerin vor Ort, knüpfte in ihrem Beitrag an die Friedensvision des Propheten Micha an, die auch das Motto der DDR-Friedensbewegung war: Schwerter zu Pflugscharen! Auch die Rheinische Kirche fordere den Atomwaffenabzug und den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag (AVV). Nachdem Angelika Claußen von der IPPNW vor allem auf den Zusammenhang von Friedensfragen mit der Klimadebatte hingewiesen und ein engeres Zusammengehen beider Bewegungen gefordert hatte, ging Rainer Braun auf die Politik in Berlin ein: die Forderung nach Beitritt zum AVV müsse immer wieder erhoben werden, aber man solle sich angesichts der bevorstehenden Ampel auch keine Illusionen auf schnelle Umsetzung machen. Großen Beifall erhielt der Beitrag von Ludo de Brabander von der belgischen Friedensbewegung (Vrede.de). Er betonte, wie wichtig die Kooperation der Friedensbewegungen aus den Teilhabestaaten ist und fasste die Forderungen der Demosntrierenden, die es gemeinsam durchzusetzen gelte, trefflich zusammen:

“Wir müssen die Nuklearpolitik der NATO verurteilen und veröffentlichen, und der Bevölkerung deutlich machen, dass es um Vorbereitungen geht für einen möglichen Atomkrieg, und dass diese Übungen kriminell und illegal sind.

Diese absurde Situation, die uns alle gefährdet, muss beendet werden:

  • 1. Wir fordern volle Transparenz über die Anwesenheit von Atomwaffen in Europa. In einer Demokratie müssen unsere Parlamente und Bürger umfassend über die Nuklearwaffenpolitik der NATO informiert sein, damit sie darüber diskutieren und entscheiden können.
  • 2. Die Einbeziehung von Nuklearwaffen in eine Militärstrategie kommt der Vorbereitung auf einen nuklearen Völkermord gleich. Es gibt keine Gewinner in einem Atomkrieg. Atomwaffen sind Massenvernichtungswaffen. Wir wollen keine neuen B61-12-Bomben in unserem Land. Wir wollen nicht, dass unsere Kampfjets an einem Atomkrieg teilnehmen. Atomwaffen müssen zurückgeschickt und vernichtet werden.
  • 3. Wir drängen auf sofortige Verhandlungen, um eine nachprüfbare Vereinbarung zu erzielen, die Europa zu einer atomwaffenfreien Zone macht, vom Vereinigten Königreich bis zum europäischen Teil Russlands. Dies ist nicht nur machbar, sondern auch notwendig, wie es bereits für ganz Lateinamerika, Afrika und Ozeanien der Fall ist.
  • 4. Unsere Länder müssen dem Anfang dieses Jahres in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag beitreten und sich nicht durch den USA und der NATO einschüchteren lassen.

Lass uns in Europa unsere Kräfte bündeln. Wir brauchen eine starke europäische Friedensbewegung, die andere gesellschaftliche Organisationen davon überzeugen kann, dass nukleare Abrüstung notwendig und machbar ist.”

Anschließend verband Hildegard Slabik-Müller von der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei jetzt“ den Widerstand am Atomwaffenstandort Büchel in ihrer Rede mit den Aktionen in Nörvenich. Sie erzählte von der jetzt über 25-jährigen Tradition von Widerstand und Protest in Büchel, wozu am Rande auch eine Ausstellung zu sehen war, und wies auf die Vielzahl derer hin, die die Atomwaffenfrage durch Aktionen zivilen Ungehorsams vor die Gerichte tragen. Abschließend trug Gisi, eine Slammerin aus Aachen und Seebrücken-Mitglied, Tochter eines aus Afghanistan geflüchteten Elternpaares, einen selbstgedichteten Rap-Text zum „76. Tag der Befreiung“ vor, der auch auf den notwendigen Widerstand gegen Rechte und Neonazis einging.

Nach der Kundgebung bildete sich ein bunter Demozug mit vielen Transparenten, der zunächst durch das etwas verschlafene kleine Nörvenich, das sich als Pate des „Geschwaders Boelcke“ versteht, zog, um nach 6 km Wegstrecke am Fliegerhorst das Ziel zu erreichen. Am Anfang der Boelcke-Alle wies der Historiker Jens Korff auf die Untaten des Kampfpiloten des 1. Weltkrieges Boelcke hin und forderte die Umbenennung in eine Claude-Monet-Allee, weil einerseits Frankreich zu den von Boelcke bombardierten Ländern gehörte und andererseits der Impressionismus ein deutliches farbenintensives Gegenbild zur wilhelminischen und nationalsozialistischen Kunstauffassung entworfen habe. Vor den Toren des Luftwaffengeschwaders gab es dann neben einem hervorragenden Gemüsereis aus der Volxküche noch den Vortrag des eindringlichen Gedichtes von Wolfgang Borchert „Sag Nein!“, das dieser 1947 quasi als Vermächtnis an die Überlebenden kurz vor seinem Tod gedichtet hatte. Während der Demo waren von Borchert inspirierte Transparente getragen worden mit dem aktualisierten Spruch „Du. Pilot*in auf dem Flugfeld. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst Atombomben über die Städte tragen, dann gibt es nur eins: sag NEIN!“

Am Ende verabschiedeten sich die Demonstrierenden untereinander und vom Fliegerhorst mit dem Zuruf „Wir kommen wieder!“ Ein von den örtlichen Verkehrsbetrieben zur Verfügung gestellter Shuttle-Bus mit der schönen Ziel-Anzeige „Friedens-Demo“ brachte die Menschen zurück nach Nörvenich bzw. Düren. Nörvenich muss in den nächsten Jahren, in denen zusätzlich 25 Tornados aus Büchel wegen der dortigen Erneuerungsmaßnahmen für die neuen Kampfflieger und Atombomben B61-12 hierhin verlegt sind, Demonstrationsort bleiben. Gegen das brandgefährliche Trainieren der Bundeswehr für einen Atomkrieg muss auch im Jahr 2022 deutlicher Protest erhoben werden. Vielleicht ist es dann ja auch Zeit für eine Manöverbehinderung mit Zivilem Ungehorsam.


Alle Infos zur Demo, Aufruf, Redebeiträge, Fotos usw. finden sich auf: atomwaffenfrei.de

Martin Singe ist im Sprecherteam der Kampagne „Büchel ist überall! atomwaffenfrei jetzt“