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„Ich musste das, was ich spielen will, selber erfinden!“

Gardi Hutter © Hajo Schueler


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Düren. Gardi Hutter ist am Sonntag, dem 9. Februar, um 18 Uhr mit ihrem neuesten Stück „Gaia Gaudi“ um die von ihr entwickelte Figur Hanna im Haus der Stadt zu Gast: Komisches Theater – ohne Worte, mit Musik. Karten gibt es im iPUNKT am Markt 6, Tel.: 02421 25-2525, E-Mail: theaterkasse@dueren.de.
Die „Clowenerin“ Gardi Hutter, die bereits 2011 das Publikum in Düren begeisterte, war im Vorfeld zu einem Gespräch bereit, obwohl sie meint, ein Clown kann nicht beschrieben werden: „Das ist wie Musik beschreiben!“, sagt sie.

Guten Tag, Frau Hutter, darf man Ihnen ein Interview überhaupt zumuten? Sie kommen doch in Ihren Stücken auch ohne Worte aus.
Ich rede sehr viel auf der Bühne, nur nicht in Worten. Das Brabbeln ist wie eine Vor-Sprache, eine noch emotionale Sprache, sozusagen der Grundfluss der Sprache. So versteht mich weltweit jeder, weil Emotionen überall gleich sind. Somit ist es eine tief menschliche Sprache.

Was sagen Sie, wenn Sie nach Ihrem Beruf gefragt werden?
Ich bin Clown, ein Begriff aus dem Englischen, nicht nach Geschlechtern geteilt. Bei einer Ansage wurde ich mit einer Sprachverbiegung als „Clownerin“ angekündigt. Das finde ich schön, weil es so verspielt ist. An der Grenze gebe ich als Beruf Artist an. Wenn ich Clown sage, schaut man mich schräg und erwartungsvoll an. Manchmal bin ich aber nicht in der Stimmung, komisch zu sein.

Vor 40 Jahren haben Sie die Figur der Hanna entwickelt. Warum?
Damals gab es noch keine komischen Frauen. „Das ist gegen die Natur“, hieß es. Ich war so wütend in den 70er Jahren: Schauspielerinnen mussten in ihren Rollen meist veraltete, irre oder fade Sätze sagen, mit uns jungen Frauen hatte das nichts zu tun. Ich musste das, was ich spielen will, selber erfinden, sonst hätte ich mich zu sehr verbiegen müssen. Es war existentiell wichtig für mich, Hanna zu entwickeln.

Werden Sie sich jemals von Hanna trennen?
Ich wollte die Rolle mal ablegen beim vorletzten Stück. Es hat nicht geklappt. Die Figur hat mich mehr in den Händen, als ich sie.

Zu Beginn von „Gaia Gaudi“ ist Hanna tot.
In acht von meinen neun Stücken ist Hannah am Ende tot. Hier ist sie es gleich zu Anfang. Tod hat mit dem Clown ganz viel zu tun. Der Beruf ist aus den Todesritualen hervorgegangen. Es geht darum, über den Schrecken zu lachen. In diesem Stück bin ich am Anfang tot, will aber nicht gehen, die Seele klebt… Aber die nachfolgenden Generationen verlangen ihre Rechte.

In der Ankündigung heißt es erstmals „Gardi Hutter & Co“
Es geht in dem Stück um das Loslassen, in Würde zu gehen und der nächsten Generation Platz zu machen. Zum ersten Mal stehe ich mit Sohn, Tochter und Schwiegertochter auf der Bühne. Sie sind seit vielen Jahren aus dem Haus, haben inzwischen eine eigene Truppe. Es ist also eine Wiederbegegnung. Ich wollte nicht in Rente gehen, aber auch keine Solo-Auftritte mehr. Ich finde toll, was die Kinder machen. Sie sind ernsthaft bei der Sache, spielen in Marseille Theater in öffentlichen Räumen, wobei der Raum mitbespielt wird, der Ort das Thema ist.

Ist es schwer, sich die Bühne mit der nachfolgenden Generation zu teilen?
Die neue Generation ist sehr anders als ich, aber im tiefsten Anliegen sind wir uns sehr ähnlich. Sie sind keine Clowns, sondern Musiker, Artisten, Tänzer. Es war eine große Herausforderung, die verschiedenen Welten zusammen zu bringen. Gerade, weil wir uns so nahe sind, war es manchmal schwer. Aber da die Generationen unser Thema sind, war auch jede Krise unser Thema, und wir konnten sie für das Stück verwenden.

Können Sie sich vorstellen, der nächsten Generation auf der Bühne Platz zu machen?
Es gibt nichts Schöneres, als zu spielen! Ermüdend ist das Drumherum, die Frühstücksbuffets und Autobahnraststätten. Ich höre dann auf, wenn ich es entweder nicht mehr schaffe, oder wenn das Publikum mich nicht mehr will.

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen?
Ich faulenze gerne, bin mit Freunden zusammen, koche, gehe im Wald spazieren, lese.

Was lesen Sie gerade?
Die Biografie von Ulla Hahn. Da gibt es viele Parallelen. Ich bin ein katholisch erzogenes Mädchen wie sie.
Sie haben in Zürich Schauspiel- und Theaterpädagogik studiert. Haben Sie einen pädagogischen Anspruch?
Der Schwerpunkt lag auf dem Schauspielerischen. Aber mich interessiert beides. Ich gebe Kurse und habe im Mai eine Gastprofessur an der Uni Leipzig.

Wie kamen Sie zur Schauspielerei, waren Sie familiär „vorbelastet“?
Nein, es war in unserer Familie ganz etwas Neues. Der Aspekt der Rebellion war ganz zentral. Aber auch meine katholische Erziehung hat mit dazu beigetragen: die Messe ist einer theatralischen Inszenierung ähnlich – und Theater ist auch ein Ritual. Auch beim Theater geht es darum: Was ist über uns, was trägt uns in andere Welten? Für diese Stunde auf der Bühne bist du nicht da, wo du bist, sondern du transzendierst irgendwo hin.

Vielen Dank, Frau Hutter, Sie haben uns sehr neugierige gemacht, neugierig auf Sie und das Stück!