Die geplante Bundesstraße B399n, besser bekannt als Nordumgehung, sorgt in Düren weiterhin für kontroverse politische Diskussionen. Der Konflikt spielt sich vor allem zwischen der CDU und den Grünen ab. Thomas Rachel, der Bundestagsabgeordnete der Union, hat nun den Kontakt mit Bundesverkehrsminister Wissing gesucht. Die seit Jahren laufende Planung steht laut Antwort des Ministeriums wegen der Deutschen Bahn still.
Wir geben in diesem Artikel einen Überblick zur aktuellen Situation. Sie erfahren,
- was bei der B399n überhaupt geplant ist
- welche Antwort Rachel gerade aus Berlin erhalten hat
- was die CDU und die SPD im Wahlkampf 2020 forderten
- warum die Grünen die Pläne kritisieren
- wer eigentlich zuständig ist
- welche Rolle Oliver Krischer spielt
- wie ProRad seine Forderungen geändert hat
Die Planung der B399n
Die B399n ist als Nordumgehung für Düren geplant. Sie soll von der B264 bei Derichsweiler über West- und Nord-Düren verlaufen und an die B56 angeschlossen werden. Damit sollen die Innenstadt sowie die Stadtteile Birkesdorf, Gürzenich, Hoven und Mariaweiler vom Verkehr entlastet werden. Die Planfeststellung für einen zweistreifigen Neubau erfolgte am 20. Juli 2010. Das Bauvorhaben wurde auch in den Bundesverkehrswegeplan 2030 aufgenommen. Als Nettokosten inklusive Ausgaben für die Planung wurden damals 27,8 Millionen Euro veranschlagt. Der Nutzen der neuen Straße und die Auswirkungen auf die Umwelt sind umstritten.
Rachels Nachfrage und die Antwort des Ministeriums
Thomas Rachel, der Dürener Bundestagsabgeordnete der CDU, hat am 14. Februar 2023 einen Brief an den Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) geschrieben. Darin hat er auf die „Dringlichkeit und Wichtigkeit der Umsetzung dieser Baumaßnahme“ hingewiesen, wie er es selbst in einer Pressemitteilung zusammenfasst.
Am 27. März 2023 kam eine Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Oliver Luksic (FDP). Dieser erinnert daran, dass das Bauvorhaben bereits als „vordringlicher Bedarf, also in der höchsten Dringlichkeitsstufe eingeordnet ist“. Verantwortlich für den Stillstand sei demnach die Deutsche Bahn. Luksic verweist auf ein notwendiges Verfahren nach §23 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes, das von der Zustimmung des Schienenverkehrsunternehmens abhängig sei. Hinzu kommen die seit Jahren laufenden Planungen zu einem dritten Gleis zwischen Düren und Aachen. Dazu beauftragte der Nahverkehr Rheinland 2022 eine Machbarkeitsstudie. Die Planungen zur B399n können laut Luksic erst fortgeführt werden, „wenn die Lage des drittens Gleises bestimmt ist und die DB AG bereit ist, die benötigten Flächenanteile außerhalb der benötigten Korridore zur Verfügung zu stellen“.
Das CDU-Wahlprogramm 2020
Die CDU veröffentlichte Anfang Juni 2020 ihr 125 Punkte umfassendes Wahlprogramm für die damals bevorstehende Kommunalwahl. Dort schrieb sie im Abschnitt zur Mobilität: „Wir wollen die Nordumgehung B 399n auf den Weg bringen und damit die Innenstadt, Birkesdorf, Hoven, Gürzenich und Mariaweiler spürbar entlasten.“ Nach der Kritik der Grünen (siehe unten) wies die CDU außerdem darauf hin, dass die B399n Entwicklungschancen für die Stadt biete. Vor allem das Gelände der ehemaligen Zuckerfabrik soll damit besser entschlossen werden und Reserveflächen für die Papier- und Textilindustrie bieten. Auch Maßnahmen aus dem Stadtteilkonzept für Birkesdorf seien ohne den Neubau nicht umsetzbar.
Unterstützung von der SPD
Die SPD hat sich am 18. Juni 2020 auch zu dem Thema geäußert und spricht ähnlich wie die CDU die mögliche Entlastung der Stadtteile und Innenstadt sowie die Erschließung der neuen Gewerbegebiete an. Sie hebt die neuen Arbeitsplätze hervor, die im Zusammenhang mit dem Strukturwandeln benötigt werden, und weist auf die finanzielle Förderung hin. Das dürfe „die Stadt durch Uneinigkeit in der Politik nicht verspielen“.
Die Kritik der Grünen
Die Grünen zeigten sich in einer Reaktion auf das CDU-Wahlprogramm kritisch bezüglich der B399n. In ihrer Stellungnahme vom 18. Juni 2020 wiesen sie darauf hin, dass die Planung veraltet sei und es zum Zeitpunkt der Planung die Autobahnabfahrt bei Langerwehe nicht gegeben habe. Der Bau der Nordumgehung ist nach Darstellung der Grünen „ein extremer ökologischer Eingriff“. Dabei kritisieren sie vor allem die Zerschneidung der naturgeschützten Ruraue. Sie fordern statt des teuren Neubaus eine Verkehrswende mit einer Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs. Die Positionen vertraten Verena Schloemer, Maria Belka und andere Grünen-Politiker auch in einem Youtube-Video.
Unterstützung erhielten die Grünen im Oktober 2020 durch ein gemeinsames Schreiben, das die Umweltverbände NABU und BUND zusammen mit dem Verkehrsclub Deutschland veröffentlichten. Die Verbände betonen ebenfalls, dass die Nordumgehung der Natur in der Ruraue und am Gürzenicher Badesee schade.
Stadtrat vs. Landesregierung
Ende 2022 kam neuer Schwung in die jahrelangen Diskussionen. Die CDU-Fraktion im Dürener Stadtrat forderte eine Resolution, mit der die Bundesregierung und die NRW-Landesregierung aufgefordert werden sollten, sich für „eine zügige Beendigung des Planfeststellungsverfahrens und einen zeitnahen Baubeginn der Nordumgehung“ einzusetzen. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Dietmar Nietan kritisierte entsprechende Forderungen des CDU-Landtagsmitglieds Ralf Nolten als „Politzirkus“ und wies daraufhin, dass nicht der Dürener Stadtrat, sondern die Landesregierung zuständig sei. Trotzdem wurde die Resolution im Stadtrat am 14. Dezember 2022 bei Gegenstimmen der Grünen mehrheitlich beschlossen.
Oliver Krischer: Vom Kritiker zum Verkehrsminister
Im Vorfeld der Kommunalwahl 2020 brachte der ehemalige Dürener Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer die Kritik der Grünen mit deutlichen Worten zum Ausdruck. Auf seiner Facebook-Seite veröffentlichte er gleichzeitig mit den bereits erwähnten Stellungnahmen der Parteien am 18. Juni 2020 ein an der Rur aufgenommenes Video. Darin bezeichnete er die Planungen für die B399n, die er als nicht mehr zeitgemäß ansieht, u.a. als „völlig irre“ und „absolutes Unding“. Außerdem griff er den damaligen Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CDU) an. Die Nordumgehung betitelte er sachlich inkorrekt als „Stadtautobahn“ statt Bundesstraße.
Seit dem 29. Juni 2022 ist Krischer nun selbst Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr in der schwarz-grünen NRW-Landesregierung. Das umstrittene Verkehrsprojekt in Düren gehört also mittlerweile zu seinem Ressort.
Pro Rad fordert nun einen Radschnellweg
Der Radfahrer-Verband Pro Rad veröffentlichte am 23. Juni 2020 eine eigene Stellungnahme zur Diskussion um die B399n. Der Verband sah durch den Bau der neuen Straße Probleme für Radfahrer, die Umwege in Kauf nehmen müssten. Radfahrer und Fußgänger seien im Gegensatz zum motorisierten Verkehr zu wenig berücksichtigt. Alle Verantwortlichen sollten sich deshalb, so der Aufruf von Pro Rad, hinterfragen, „ob sie die B399n tatsächlich für alternativlos halten“. Außerdem erinnerte der Verband an seinen Vorschlag eines Innenstadt-Rings.
In einer neuen Mitteilung vom 13. März 2023 verabschiedete sich Pro Rad von den damaligen Forderungen. Stattdessen strebt der Verband nun einen Radschnellweg an. Der RS-399n sei „eine hervorragende und komfortable Verbindung für Pendler zum Bahnhof Düren“ und umgehe Engstellen wie an der Papiermühle.