Zu einem Vortragsabend aus der Reihe „Schule im Dialog“ hatte am Dienstagabend die Europaschule Langerwehe Lehrer und Eltern ins Forum der Schule eingeladen, um über ein Thema zu informieren, das die Beziehungen zwischen Schülern und ihren Eltern sowie Schülern und Lehrern zuweilen nicht ganz einfach erscheinen lässt: die Pubertät.
Der Referent, Studiendirektor Peter Köster, seines Zeichens Fach- und Kernseminarleiter am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) sowie langjähriger Lehrbeauftragter an der Universität Köln, beschrieb, basierend auf neueren Erkenntnissen der Hirnforschung und Neurobiologie, anschaulich die Entwicklung des menschlichen Gehirns in den ersten 18 Lebensjahren. So präsentierte er u. a. eine natürliche Erklärung für die manchmal nicht nachvollziehbaren Verhaltens- und Handlungsweisen der Jugendlichen beim Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein und lieferte Antworten auf das veränderte Schlafverhalten pubertierender Jugendlicher, auf den „normalen“ Leistungsabfall in der Schule sowie unterschiedliche Verhaltens- und Kommunikationsweisen bei Mädchen und Jungen. Dabei band Peter Köster die Zuhörer in das kurzweilige Geschehen so ein, dass jeder die automatisierte Arbeitsweise des eigenen Gehirns selbst am eigenen Leibe nachvollziehen konnte.
Ab der 9. Schwangerschaftswoche, so Köster, beginne die embryonale und fetale Bildung und Reifung neuronaler Strukturen. Diese erlaubten dem Fetus im weiteren Entwicklungsverlauf Sinneseindrücke aufzunehmen und zu verarbeiten, beispielsweise die Klangfarbe der Stimmen von Mutter und Vater oder die körperliche „Wahrnehmung“. Bereits vorgeburtlich fänden also Lernprozesse statt. Auch wenn noch keine bewusste Ich-Abgrenzung möglich sei, so lerne das ungeborene Kind bereits die wichtigsten Grunderfahrungen, nämlich Nähe und Geborgenheit. Aus dieser Sicherheit heraus könnten sich postnatal grundlegende Kompetenzen wie etwa Kreativität, Empathie, exekutive Kontrolle und Resilienz als eine Art „Lebensfundament“ bzw. „Wurzeln der Persönlichkeit“ ausbilden. Je stärker diese „Wurzeln“ ausgeprägt seien, desto offener, neugieriger und lernwilliger entwickele sich das Kleinkind: Aus der Sicherheit und Geborgenheit der eigenen Umwelt heraus gehe es auf „Entdeckungsreise“.
Bei dem sogenannten „Hausmeister“ handele es sich um den präfrontalen Cortex, jenen Teil unseres Gehirns, der Konsequenzen abwägt, Planungen durchführt, Prioritäten setzt, Entscheidungen fällt und u.a. für die moralische Bewertung verantwortlich ist. Die „Reifung des Gehirns“ erreiche bei Jugendlichen im Bereich des präfrontalen Cortex sozusagen seinen Höhepunkt. Damit einher gehe ein massiver Ab- und Umbau von Nervenverbindungen. Andere Bereiche des Gehirns seien dafür stärker aktiv, nämlich die „Mandelkerne“ (Amygdala). Die Folgen: Entscheidungen seien weniger vernunftorientiert, dafür jedoch viel stärker impulsiv, Konsequenzen würden weniger reflektiert und die Fähigkeit, die Gefühle von Mitmenschen zu erkennen, gingen ebenfalls in dieser Phase zurück.
Mädchen erlebten in bestimmten Phasen der Pubertät regelrechte Achterbahnfahrten der Gefühle. Dies hänge vor allem an der Umstellung des Hormonhaushaltes. Hormone seien Botenstoffe, die bereits in kleinsten Mengen hoch wirksam seien. Mit dem Einsetzen der Pubertät würden diese Hormone aber zunächst eher mit dem ‚Eimer ausgeschüttet’ als fein dosiert abgegeben zu werden. Erst nach und nach pegelten sich die richtigen Hormonkonzentrationen ein. Östrogen und Progesteron wirkten besonders stark auf „Seepferdchen“ (Hippocampus) und „Mandelkern“ (Amygdala). Während das Östrogen neuronale Kommunikationsfelder aktiviere, bewirke es ferner eine Erhöhung der Nervenverbindungen am „Seepferdchen“ (Hippocampus) um bis zu 25%! Mädchen seien in dieser Zyklusphase nachgewiesenermaßen scharfsinniger, schneller und flexibler im Denken und Lernen. Gleichzeitig hätten sie aufgrund ihres hohen Mitteilungsdranges auch ein extrem hohes Bedürfnis nach Vertrautheit und sozialen Beziehungen. Durch das Progesteron komme es zudem zum Abbau der Nervenverbindungen und zur Ausschüttung von Cortisol, was zu erhöhter Reizbarkeit und zu generellen Stimmungsschwankungen führe.
Während das Östrogen bei Mädchen zu einer Aktivierung neuronaler Kommunikationsfelder führe, sorge das Testosteron bei Jungen genau für das Gegenteil: Jungs redeten weniger. Und wenn sie es doch täten, dann vor allem innerhalb ihrer Peergroup, sprich den Freunden und Kumpels. Insbesondere bei den Jungen zeige der neuronale Umbau des präfrontalen Cortex seine Folgen: Das Risikoverhalten der 13 bis 16jährigen Jugendlichen steige mitunter um den Faktor drei an! Dies hänge unmittelbar mit dem Belohnungssystem im Gehirn zusammen. „Belohnung“ entstehe hier v.a. dann, wenn sie in der eigenen Gruppe Anerkennung bekämen. Dabei gehe es nicht nur um die Rangordnung, sondern auch darum, von den übrigen Gruppenmitgliedern nicht in der eigenen Autorität angezweifelt zu werden. Dies würde in einem gesteigerten Stressempfinden münden, was Jungen nur noch mehr dazu bewegen würde, die Konsequenzen des eigenen Handelns auszublenden. Folgehandlungen wären also noch viel impulsiver (Amygdala).
Ein bestimmter Bereich des Gehirns – der Nucleus accumbens – versorge den Menschen mit einer körpereigenen Droge, dem Dopamin. Gelinge uns etwas besonders gut, dann fühlten wir uns auch gut, weil u.a. Dopamin ausgeschüttet werde. Bei Jugendlichen spiele dieser Teil des Belohnungssystems verrückt – es komme zu einer Art „Neujustierung“ des Belohnungssystems. Die Folge: mal arbeite es zu schnell – die Belohnung (das gute Gefühl) setze bereits zu einem Zeitpunkt ein, wenn kaum Aufwand betrieben wurde), mal zu langsam. Es verwundere daher nicht, dass Jugendliche sich immer stärkere Kicks suchten, damit das Belohnungszentrum ihnen ein Grinsen ins Gesicht zaubere. Dagegen strebe ihre Motivation für andere Dinge, in denen sie keinen Sinn sähen – Hausaufgaben etwa, oder generell in Schule – gegen null. Erwachsene interpretierten dies dann – nicht zu unrecht – als „Null-Bock-Haltung“.
Die menschliche Zirbeldrüse sei dafür verantwortlich, ein Hormon auszuschütten, das uns müde mache – das Melatonin. Bei Jugendlichen arbeite diese Drüse nicht richtig, sodass das Melatonin bei ihnen um ca. zwei Stunden verspätet ausgeschüttet werde. Das habe zur Folge, dass Jugendliche – insbesondere Jungen – abends viel später müde würden. Doch der Wecker klingele für sie morgens nach wie vor zur selben Zeit. Das Problem: weniger Tiefschlaf in der Nacht und ein noch viel zu hoher Melatoninspiegel am Morgen. Die Folge: In der Nacht könne das „Seepferdchen“ (Hippocampus) kaum mehr alle Informationen, die es tagsüber aufgenommen habe, an die „Walnuss“ (Großhirnrinde) weitergeben. Außerdem verspürten Jugendliche morgens dieses Schlafdefizit und seien aufgrund des hohen Melatoninspiegels immer noch müde. Schwierig werde es besonders, wenn Jugendliche kurz vor dem Schlafengehen noch mit dem Handy oder Computer „daddelten“. Die „Blaustrahlung“ dieser Geräte werde von Experten als sogenannte „Blaudusche“ bezeichnet. Die Folge: das müde machende Melatonin werde über den Blaulicht-Impuls zerstört und die Jugendlichen blieben noch länger auf. Ein wahrer Teufelskreis. Hier würden nur klare Regeln helfen, Vorgaben und gemeinsame Absprachen.
Nach seinem Vortrag bedankte sich Schulleiterin Regina Westermann bei Peter Köster für einen ebenso lehrreichen wie amüsanten und kurzweiligen Vortragsabend.